Früher war alles anders, auch die Trauerkultur
Es ist noch nicht so lange, da wurden die verstorbenen Familienangehörigen im Wohnzimmer aufgebahrt und alle Freunde, Verwandte, Bekannte und Nachbarn hatten so die Möglichkeit, Abschied zu nehmen und dem Toten zu gedenken sowie in einer aktiven Handlung zu ehren. Interessanter Weise können Kinder sehr viel offener mit dem Tod umgehen, als erwachsene Menschen. So bringt für Kinder das Anfassen der Hände des Verstorbenen und das Spüren der Kälte eine klare Gewissheit. Die Erwachsenen haben dagegen eher Berührungsängste.
Auf dem örtlichen Friedhof wurden die Toten nach einer Messe oder einem Trauergottesdienst feierlich bestattet. Nach der Beerdigung hat die Familie des Verstorbenen das Anlegen und Pflegen des Grabes übernommen. Viele Generationen haben so das vor vielen Jahren gekaufte Familiengrab gepflegt und gehegt und dort der Eltern, Großeltern und vielleicht sogar der Urgroßeltern gedacht. Ein regelmäßiger Besuch am Grab gehörte zum Alltag jeder Generation. Auch der Staat sieht hierin ein Gemeinwohl und hat Totengedenktage zu Feiertagen erklärt. Der Friedhof lag früher oft direkt neben der Kirche und war daher Mittelpunkt jedes Dorfes oder auch des Stadtteils. Aufgrund des notwendigen Platzbedarfs (durch Seuchen und Weltkriege wurden mehr Gräber benötigt) wurden die Friedhöfe an den Rand der jeweiligen Gemeinden/Kommunen verlegt. Da sie dort oftmals nicht mehr „mittendrin“ im alltäglichen Leben sind, wird ein Besuch dieses geschützten Ortes meist verschoben (alt: wird der Ort immer häufiger verdrängt). In der heutigen, schnelllebigen Zeit ist der Friedhof mitsamt der Trauerkultur starken Veränderungen unterworfen. Für viele Menschen ist der Besuch auf dem Friedhof zu einem notwendigen Übel geworden und der Tod selbst wird ausgeblendet.
- Wann sind Sie zum letzten Mal in Ruhe und mit Muße über den Friedhof geschlendert?
- Wann haben Sie zuletzt die bunten Grabbepflanzungen bewundert?
- Wann haben Sie zuletzt auf einer Friedhofsbank gesessen und den Vögeln gelauscht und den Hummeln zugeschaut?
- Wann haben Sie zuletzt die alten Namen und Inschriften auf den verwitterten Grabsteinen gelesen?
- Wann haben Sie zuletzt die Ruhe genossen und die Gedanken und Erinnerungen schweifen lassen?
- Viele Friedhöfe sind Zeitzeugen der Geschichte. Gräber erinnern an Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Politik, Familie und erzählen vom Leben der Verstorbenen.
Einige Friedhöfe erinnern auch an historische Ereignisse und sind damit Orte des Gedenkens und der Mahnung zugleich. Viele Pilgerstätten (z. B. die Grabstätten bekannter Künstler und Musiker) liegen auf Friedhöfen und gelten vielfach als Aushängeschild. Vielen trauernden Angehörigen und Freunden bietet der Friedhof einen Raum für eigene kleine Rituale, um das Andenken an den Verstorbenen lebendig zu halten. Der Friedhof soll als Ort des Friedens, der Stille, der Erinnerung, der Besinnung und auch als Ort der Begegnung wahrgenommen werden.
In vielen Städten und Gemeinden sind die Friedhöfe heute die einzig zusammenhängenden Grünflächen. Diese können von den Menschen vielfältig genutzt werden. Ein kleiner Spaziergang in der Mittagspause, das Lesen eines Buches oder auch nur das Beobachten der Vögel und Insekten kann Erholung im stressigen Alltag sein. Aufgrund des oft alten, großen Baum- und Strauchbestandes tragen Friedhöfe auch positiv zum Stadtklima bei, was sich ebenfalls positiv auf das menschliche Wohlbefinden auswirkt.
Lassen Sie daher den Friedhof ein Teil Ihres Alltags und einen Raum für Ihre Erinnerungen werden.